Verstehen
(Pfarrerin Renata Pense) Es hat wirklich Spaß gemacht, mit meinen Kollegen am Pfingstsonntag in verschiedenen Sprachen durcheinander zu reden – auf Griechisch, Niederländisch, Englisch, Französisch und Latein. Im Anspiel des Taufgottesdienstes hatten wir diese lustige Aufgabe, um zu verdeutlichen, dass es in der biblischen Geschichte genau darum geht: Pfingsten erzählt von begeisterten Menschen, die einander verstehen, obwohl sie verschiedene Sprachen sprechen. Die einander verstehen, weil sie vom gleichen Geist entflammt und erfüllt werden: vom Geist Gottes. Pfingsten erzählt von Menschen, die verstehen, dass sie geliebte Kinder Gottes sind, die ihren Vater als Vater anerkennen und einander mit allen Schwächen und Fehlern annehmen. Pfingsten erzählt von Menschen, die frei sind von Größenwahn oder Perfektionismus, die sehen, dass sie so, wie sie sind, gut geschaffen sind.
Dazu möchte ich Ihnen eine kurze Geschichte erzählen, die ich so erlebt habe und die mir immer noch sehr präsent ist, obwohl alles schon wirklich lange her ist. Als ich 1990 an dem internationalen ‚Jugendtreffen von Taizé’ in Prag teilnahm, war ich mit meiner Arnsberger Freundin Angelika in einer tschechischen Gastfamilie untergebracht. Ich weiß noch, dass das Ehepaar sehr jung war und sie eine kleine Tochter namens Elisabeth hatten. Ihre Gastfreundschaft hat uns damals sehr beeindruckt. So durften wir beispielsweise in ihrem Schlafzimmer übernachten, während sie auf das Sofa im Wohnzimmer zogen. Sie sprachen weder Deutsch, Englisch noch Französisch, und wir konnten natürlich kein einziges Wort Tschechisch. Deshalb verständigten wir uns mehr schlecht als recht mit Händen und Füßen. Eines Abends kamen wir spät von einer Veranstaltung nach Hause. Der Vater hatte auf uns gewartet, saß am Tisch, hatte eine Kerze angezündet und seine Bibel aufgeschlagen. Wir setzten uns zu ihm und holten unsere Bibel heraus. Dann begann er, laut aus seiner Bibel vorzulesen, und wir taten dasselbe. Abschließend beteten wir gemeinsam das Vater unser, jeder in seiner Sprache. Das war ein sehr bewegender Moment, hatten wir doch mit einem Mal eine gemeinsame Sprache gefunden. Durch unseren Glauben fühlten wir uns angenommen, verstanden und miteinander verbunden, auch ohne die Worte des anderen zu kennen.
Denn das ist Pfingsten: Wir Menschen hören und verstehen uns. Und es spielt keine Rolle mehr, wo wir herkommen, aus welchem Land, aus welcher sozialen Schicht: Manchmal macht der Heilige Geist das möglich!
