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Sei ein Mensch – Das Gute zählt

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(Pfrin. Katharina Baumann-Schulz) 80 Jahre Kriegsende. In die dankbare Erinnerung für 80 Jahre Frieden und Demokratie in unserem Land mischt sich auch die Erinnerung an die Grausamkeiten des 2. Weltkriegs. Viele Holocaustüberlebende haben lange, manchmal ein Leben lang geschwiegen über das Unfassbare, das ihnen angetan wurde. Die 103-jährige Margot Friedländer erzählt eindrücklich davon, dass sie damals nach der Befreiung, der Heirat mit ihrem Mitgefangenen, dem Neubeginn in Amerika trotzdem innerlich wie tot war, nichts empfunden hat. „Wir waren keine Menschen mehr. Wir mussten wieder zu Menschen werden.“ Und erst als alte Dame fand sie die Kraft und Mut ins Täterland zurückzukehren, bis heute von ihrem Leben zu erzählen und an alle zu appellieren: „Wir sind alle gleich, es gibt kein christliches, muslimisches oder jüdisches Blut, es gibt nur menschliches Blut. Man kann nicht alle Menschen lieben, aber respektieren. Seid menschlich, respektiert jeden, egal welche Religion oder Hautfarbe er hat.“ Der Vater des Sportjournalisten Marcel Reif hat dagegen vermeintlich ein Leben lang geschwiegen. Bei dem Gedenken an den Holocaust im Bundestag erzählte Reif in einer bewegenden Rede von seinem Vater und wie es dazu kam, dass die Familie in den 50ger Jahren von Polen ins Land der Täter umsiedelte. Der Vater schwieg, damit seine Kinder nicht mit  grausamen Erinnerungen aufwuchsen. Erst nach Leon Reifs Tod habe seine Mutter ihrem Sohn Marcel den Grund erzählt, warum sein Vater manchmal wie abgeschaltet in Depression versank, ausgerechnet wenn sein Enkelsohn zu Besuch war. „Du weißt ja nichts“. Der Satz musste zu Leon Reifs Lebenszeit genügen, um dieses Verhalten zu erklären. Aber im Nachhinein  betrachtet habe sein Vater ja doch zu ihm gesprochen, so Reif, nicht von den unsagbaren Grausamkeiten, auch nicht von den lebensrettenden Erlebnissen. Drei Worte genügten, für das, was zählt, Das alles habe er mit einem Satz seinem Sohn immer wieder mitgegeben. Und mit diesem Satz beschloss Marcel Reif seine Rede im Bundestag: Sei ein Mensch!

Auch die Pfarrerin Katharina Staritzdie wegen ihrer Hilfe für jüdische Gemeindeglieder in Breslau in Haft geriet, sprach nie über ihre Zeit im Konzentrationslager. Lange unbekannt blieb folgendes Gebet aus dem Frauenkonzentrationslager Wallenbrück, Das Gute zählt: Friede den Menschen, die bösen Willens sind, und ein Ende aller Rache und allen Redens über Strafe und Züchtigung. (…) All das Gute sollte zählen, nicht das Böse. Und in der Erinnerung unserer Feinde sollten wir nicht als Opfer weiterleben, nicht als ihr Alptraum und grässliche Gespenster, vielmehr ihnen zu Hilfe kommen, damit sie abstehen von ihrem Wahn: Nur dies allein wird ihnen abgefordert, und dass wir, wenn alles vorbei sein wird, leben dürfen als Menschen unter Menschen, und dass wieder Friede sein möge auf dieser armen Erde den Menschen, die guten Willens sind, und dass dieser Friede auch zu den anderen komme.

 

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