Engel Heinrich
Wie wir in der letzten Ausgabe von ‚So gesehen’ von meinem Kollegen Martin Brings lesen konnten, blühen manchmal Weihnachtssterne und Christrosen erst so richtig im Januar auf, wenn Weihnachten – vermeintlich – vorbei ist. Was wiederum eine Freude auslöst, die Weihnachtsfreude, die bleiben darf, auch wenn die Krippe abgeräumt, der Baum entsorgt und der Herrnhuter Stern sorgfältig wieder verstaut ist. Es ist das Glück darüber, dass Gott zu uns kommt und wir nie mehr allein sind. Von dieser Weihnachtsfreude erzählt auch eine Geschichte von Dietrich Mendt, in der ein Mann am Ende der Weihnachtszeit seine 32 Engel verpackt und ganz bewusst einen der Engel auf seinen Schreibtisch stellt, weil er die Weihnachtsfreude das ganze Jahr hindurch spüren möchte. Auf einmal beginnt dieser kleine Holzengel zu sprechen und stellt sich als Heinrich vor. Heinrich hält einen kleinen goldenen Müllkorb in seinen Händen. Immer, wenn sich der Mann über etwas zu ärgern beginnt, hält Heinrich ihm den Müllkorb hin und fordert ihn auf, den Ärger dort hinein zu werfen. Und obwohl der Mann das von nun an mit kleinen und großen Sorgen tut, leert sich der kleine Müllkorb immer sofort wieder.
Mich hat vor allem der folgende Dialog zwischen dem Geschichtenerzähler und dem Engel Heinrich berührt, den ich hier sinngemäß zitieren möchte: "Wohin bringst du das alles?" "In die Krippe", sagt er. "Ist denn überhaupt so viel Platz in der kleinen Krippe?" Heinrich lacht. "Pass auf! In der Krippe liegt ein Kind, das ist noch kleiner als die Krippe. Und sein Herz ist noch viel, viel kleiner." Er zeigt mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand, wie klein. "Denn deinen Kummer und deine Sorgen lege ich in Wahrheit gar nicht in die Krippe, sondern in das Herz dieses Kindes. Verstehst du das?" Ich denke lange nach. "Das ist schwer zu verstehen. Und trotzdem freue ich mich. Komisch, was?" Heinrich runzelt die Stirn. "Das ist gar nicht komisch, sondern die Weihnachtsfreude, verstehst du?" Auf einmal will ich Heinrich noch vieles fragen, aber er legt den Finger auf den Mund. "Psst!" sagt er. "Nicht reden! Nur sich freuen!"
Ich habe diese Geschichte von der Weihnachtsfreude in der Adventszeit neu entdeckt. Als ich auf einem Weihnachtsmarkt war, habe ich lange nach ‚meinem’ Engel Heinrich gesucht. In der Geschichte trägt er ein rotes Kleid. Also habe ich mir einen kleinen Holzengel in einem roten Kleid gekauft. Er steht übrigens nicht auf meinem Schreibtisch wie in der Geschichte, sondern auf meinem Nachtschränkchen. Da kann ich ihm meine Sorgen vor dem Schlafen überlassen, voller Vertrauen, dass alles im Herzen von Jesus Platz findet.
